7. Entwicklungskonferenz - Rückblick:Mit dem Blick nach vorne um gemeinsame Konzepte für eine nachhaltige Modellregion ringen

In fünf Jahren wird laut Gesetzeslage die Förderung von Braunkohle im Rheinischen Revier eingestellt. Entsprechend dynamisch entfalten sich Aktivitäten, um das zu gestalten, was landläufig „Strukturwandel“ genannt wird. Hinterlegt mit Fördermilliarden, kommen Hunderte Projekte in Gang. Um den Fokus dieser Maßnahmen wird weiter gerungen. Zivilgesellschaftliche Akteure sahen sich lange nicht genügend berücksichtigt – teilweise bis heute.
Das Klima in der Region hat sich in den letzten ein, zwei Jahren wahrnehmbar verbessert, bescheinigen die meisten Menschen, welche die Entwicklung mitverfolgen und mitgestalten. Eine Plattform, sich konstruktiv über die Herausforderungen auszutauschen, vor denen das Rheinische Revier in seiner wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Transformation steht, ist das Format der zivilgesellschaftlich getragenen Entwicklungskonferenz.
Nun fand die 7. Auflage dieser Konferenz statt, in Erkelenz. Der lösungsorientierte Austausch markiert das verbesserte Klima, zumal schon im Veranstalterkreis fortlaufend gesellschaftliche Aushandlungen stattfinden, wie stellvertretend Jens Sannig, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Jülich, berichtete. Kirchen, Gewerkschaften und Umweltverbände besprechen in diesem vor zwei Jahren gegründeten Netzwerk „Revier WIRd Region“ Gemeinsamkeiten und Konflikte, etwa bei Flächenkonkurrenz und Biotopverbünden.
Mehr als 100 Menschen aus Zivilgesellschaft, Kommunen und Zukunftsagentur berieten den Zwischenstand des Strukturwandels. Bei allen Erfolgsmeldungen rund um innovative Projekte und Neuansiedlungen ging es ihnen vor allem um die Frage, wie das Rheinische Revier zur Modellregion für die sozialökologische Transformation der Industriegesellschaft werden kann. Der Geschäftsführer der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, Bodo Middeldorf, betonte in Erkelenz seine Offenheit für die Frage der Nachhaltigkeit. Es gehe darum, die Region für künftige Generationen lebenswert zu gestalten. Die Zivilgesellschaft könne sich in viele Konferenzen einbringen, die wichtige Aspekte berieten, etwa in Fragen der Bioökonomie.
Zukunftsfonds, Bürger*innenrat, Servicestelle
Neben diesen Brückenschlägen in bereits etablierte Beratungsstrukturen strebt die Zukunftsagentur die Einrichtung eines Zukunftsfonds, der zivilgesellschaftliche Projekte fördert, und eines repräsentativ zusammengestellten Bürger*innenrates an. Beide Konzepte liegen der Landesregierung zur Freigabe vor. Ziel ist laut Middeldorf, 2026 damit loszulegen. Bereits im Aufbau begriffen ist eine Servicestelle der Zukunftsagentur, welche Kommunen bei der Durchführung partizipativer Projekte beraten soll.
Wie all das sich mit bereits aktiven zivilgesellschaftlichen Vernetzungen zusammen denken und zielführend im Sinne der nachhaltigen Sache verbinden lassen kann, braucht noch einiges an Beratungen. Bei der Entwicklungskonferenz wurde spürbar: Das Grundvertrauen und der konstruktive Geist dafür sind da. Sollte es vielleicht zu so einer bemerkenswerten Entwicklung wie in der Bürgerregion Lausitz kommen? Diese zeichnet sich durch ein gutes Miteinander von Kommunen und Zivilgesellschaft aus, sie gestalten Strukturwandel gemeinsam.
Bei all dem geht es nicht zuletzt darum, die Bevölkerung mitzunehmen. Neue Leitbilder müssen die lokalen Identitäten respektieren. Die Ideen der Bürger*innen müssen Gehör finden. Diese müssen Möglichkeiten haben, ihren Lebensraum mitzugestalten. Nicht zuletzt fördert das nicht nur die Akzeptanz der Veränderungen, die der Strukturwandel mit sich bringt, sondern stärkt ganz allgemein die Akzeptanz der Demokratie, ihre Resilienz gegenüber Krisen und Populismus.
Jugendbeteiligung, Risikobereitschaft, Berliner Politik
Hier legte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur in Erkelenz bei aller Wertschätzung für das, was dank vielfältiger zivilgesellschaftlicher Initiativen auf den Weg kommt, den Finger in Wunden. Zum einen mahnte sie, dass auch dort eine nachhaltige Beteiligung junger Menschen nicht stattfindet – ein Auftrag, den das Netzwerk „Revier WIRd Region“ mitnimmt. Zum anderen markierte sie am Beispiel der Diskussion zur Bioökonomie ihre Skepsis gegenüber allzu hohen Erwartungen an den Staat. Er könne gute Rahmenbedingungen schaffen, aber er könne nicht privaten Unternehmen wie landwirtschaftlichen Betrieben das Risiko abnehmen.
Die Ministerin betonte den Willen der Landesregierung, den Strukturwandel wirtschaftlich erfolgreich auf Basis des Green Deals der Europäischen Union zu gestalten. Als Mona Neubaur zum nächsten Termin aufgebrochen war, wurde in den Beratungen der Entwicklungskonferenz deutlich: Die Politik der neuen Bundesregierung hat das Potenzial, diesen Kurs zu beschädigen. Großtechnologische fossile Konzepte wie Dutzende neuer Gaskraftwerke unterlaufen das Bemühen, innovative, dezentrale Strukturen nachhaltiger Energieerzeugung und suffizient aufgesetzte neue Industrien zu entwickeln. Wie soll das Rheinische Revier so eine stolze Energieregion bleiben können? Viel Beratungsstoff für alle Beteiligten.