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7. Entwicklungskonferenz - Rückblick:Mit dem Blick nach vorne - für eine nachhaltige Modellregion

7. Entwicklungskonferenz
7. Entwicklungskonferenz zeigte auf: Landesregierung, Zukunftsagentur, Kommunen und Zivilgesellschaft müssen konstruktiv Interessen und Perspektiven im Rheinischen Revier austarieren
Datum:
15. Sept. 2025

In fünf Jahren wird voraussichtlich die Förderung von Braunkohle im Rheinischen Revier eingestellt. Entsprechend dynamisch entfalten sich Aktivitäten, um das zu gestalten, was landläufig „Strukturwandel“ genannt wird. Hinterlegt mit Fördermilliarden, kommen Hunderte Projekte in Gang. Um den Fokus dieser Maßnahmen wird weiter gerungen. Zivilgesellschaftliche Akteure sehen ihre Anliegen nicht genügend berücksichtigt – teilweise bis heute.

Nun fand die 7. Auflage der zivilgesellschaftlich getragenen Entwicklungskonferenz statt, diesmal kurz vor der Kommunalwahl in Erkelenz. Der lösungsorientierte Austausch zwischen der Zivilgesellschaft und verschiedenen politischen Ebenen steht auch stellvertretend für eine zupackende, vorwärts gerichtete Stimmung bezüglich des Strukturwandels im Rheinischen Revier.

Bereits im Veranstalterkreis des Netzwerks „Revier WIRd Region“ finden fortlaufend gesellschaftliche Aushandlungen um die Zukunft der Region statt, wie stellvertretend Jens Sannig, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Jülich, berichtete. Kirchen, Gewerkschaften und Umweltverbände besprechen in diesem 2022 gegründeten Bündnis Gemeinsamkeiten und Konflikte beim Blick auf notwendige Veränderungen, etwa bei den Themen Beteiligung, Energiewende und wirtschaftlichen Stärken der Region. Grundsätzlich kritisiert das Netzwerk „Revier WIRd Region“ die überwiegende Beschränkung des Strukturwandels auf die rein wirtschaftliche Entwicklung. Soziale und ökologische Themen fänden kaum statt. Themen wie Umweltschutz, Bildung, Soziales sowie Aus- und Fortbildung für Beschäftigte kämen deutlich zu kurz. Ein erfolgreicher Strukturwandel brauche den Gleichklang aus ökonomischer, sozialer und ökologischer Transformation.

Mehr als 100 Menschen aus Zivilgesellschaft, Kommunen und Zukunftsagentur tauschten nun am Freitagnachmittag ihre Sichtweise auf den Zwischenstand des Strukturwandels und die kommenden fünf Jahre aus, Bei allen Erfolgsmeldungen rund um innovative Projekte und Neuansiedlungen ging es ihnen vor allem um die Frage, wie das Rheinische Revier zur Modellregion für die sozial-ökologische Transformation werden kann. Der Geschäftsführer der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, Bodo Middeldorf, betonte in Erkelenz die Bedeutung einer nachhaltigen Transformation. Es gehe darum, die Region für künftige Generationen lebenswert zu gestalten. Die Zivilgesellschaft könne sich zukünftig auch mehr in die Diskussion einbringen können.

 

Beteiligung muss besser werden - Zukunftsfonds, Bürger*innenrat, Servicestelle ab 2026?

Dazu strebt die Zukunftsagentur die Einrichtung eines Zukunftsfonds, der zivilgesellschaftliche Projekte fördert, und einen repräsentativ zusammengestellten Bürger*innenrates an. Beide Konzepte liegen der Landesregierung zur Freigabe vor. Ziel sei laut Middeldorf, 2026 damit loszulegen. Bereits im Aufbau begriffen ist eine Plattform der Zukunftsagentur, welche Kommunen bei der Durchführung von Bürgerbeteiligung beraten soll.

Wie all das sich mit bereits aktiven zivilgesellschaftlichen Aktivitäten zusammen denken und zielführend im Sinne der nachhaltigen Sache verbinden lassen kann, braucht noch einiges an Beratungen. Bei der Entwicklungskonferenz wurde spürbar: Das Grundvertrauen und der konstruktive Geist dafür sind da. Sollte es vielleicht zu so einer bemerkenswerten Entwicklung wie in der Bürgerregion Lausitz kommen? Diese zeichnet sich durch ein gutes Miteinander von Kommunen und Zivilgesellschaft aus, sie gestalten Strukturwandel gemeinsam.

Bei all dem geht es nicht zuletzt darum, die Bevölkerung einzubinden. Projekte und Leitbilder müssen die lokalen Identitäten respektieren und gleichzeitig eine verbindende, regionale Perspektive schaffen, vor allem bei den Bewohner*innen und gemeinnützigen Organisationen vor Ort. Diese müssen bessere Möglichkeiten finden, ihren Lebensraum im Strukturwandel mitzugestalten. Wenn die Ideen der Bürger*innen Gehör finden, fördert das nicht nur die Akzeptanz der Veränderungen, die der Strukturwandel mit sich bringt, sondern stärkt ganz allgemein die Akzeptanz der Demokratie, ihre Resilienz gegenüber Krisen und Populismus.

Strukturwandel kann nur gelingen, wenn damit der Alltag der Menschen verbessert und Gemeinsinn gestiftet wird“, so das Fazit der Veranstalter. Hierzu müssten soziale und kulturelle Begegnungsräume rund um die Tagebaue und auch attraktive Projekte geschaffen werden, die vernetztes Arbeiten, gemeinschaftliches Wohnen, Klimaschutz und soziale Mischung fördern. Der Wiederbelebung der vor den Tagebauen geretteten Dörfer kommt dabei eine zentrale Rolle mit Leuchtturmpotenzial zu.

Von Jugendbeteiligung zu Unternehmertum für Nachhaltigkeit und regionaler Energiepolitik

Hier schätzte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur in Erkelenz das Engagement des Zusammenschlusses und vielfältiger zivilgesellschaftlicher Initiativen. Allerdings mahnte sie, dass bisher eine nachhaltige Beteiligung junger Menschen nicht ausreichend stattfände – ein Auftrag, den das Netzwerk „Revier WIRd Region“ seit der 5. Entwicklungskonferenz formuliert hat. Weiterhin markierte sie am Beispiel der Diskussion zur Bioökonomie ihre Skepsis gegenüber allzu hohen Erwartungen an den Staat. Er könne gute Rahmenbedingungen schaffen, aber er könne nicht privaten Unternehmen wie landwirtschaftlichen Betrieben das Risiko für Initiative und Investitionen abnehmen.

Die Ministerin betonte den Willen der Landesregierung, den Strukturwandel wirtschaftlich erfolgreich auf Basis des Green Deals der Europäischen Union zu gestalten. Als Mona Neubaur zum nächsten Termin aufgebrochen war, wurde in den Beratungen der Entwicklungskonferenz deutlich: Die Politik der neuen Bundesregierung hat das Potenzial, diesen Kurs zu beschädigen. Großtechnologische fossile Konzepte wie Dutzende neuer Gaskraftwerke unterlaufen das Bemühen, innovative, dezentrale Strukturen nachhaltiger Energieerzeugung und neue Industrien für mehr Suffizienz zu entwickeln. Wie soll das Rheinische Revier so eine stolze Energieregion bleiben können?

Mit der Installation von fast 4 Gigawatt an elektrischer Leistung der Erneuerbaren werde das im „Gigawattpakt“ verankerte Ziel für 2028 von 5 Gigawatt voraussichtlich erreicht. Dabei dürfe man aber nicht stehenbleiben. Alle verträglich zu erschließenden Potenziale müssten genutzt werden, um einen möglichst hohen Anteil zur Deckung des regionalen Bedarfs von Bevölkerung, Industrie und Handwerk beizusteuern.

Es blieb abschließend noch viel zu besprechen. An der breiten Besetzung der Gesprächsrunden, aber auch in der Vielzahl an Fragen und Qualität der Beiträge aus dem Publikum konnte man das bereits vorhandene Engagement vieler Beteiligten erkennen. Ein Blick auf die Forschung zeigt, dass Regionen transformativ werden, weil Menschen diese Regionen gestalten und sie diese Gestaltung entlang der grundlegenden Fragen unserer Zeit (Klimawandel, -anpassung, Migration, Landnutzung, Mobilität) organisieren. Der Umbau einer Region kann nur mit einem hohen Grad an Beteiligung und Mitmachen geschehen. Diese Zukunftsenergie erfolgreich für die Transformation der Region einzubinden, ist die große Aufgabe der künftigen Jahre.

Die Veranstalter der mittlerweile 7. Entwicklungskonferenz Rheinisches Revier wollen den Strukturwandelprozess auch weiterhin kritisch-konstruktiv begleiten. „Um Aufbruchstimmung zu entfachen, bedarf es mehr als Förderbescheide und Gremienbeschlüsse. Die nächsten fünf Jahre bis zum Kohleausstieg müssen zeigen, dass sich das Rheinische Revier erfolgreich zu einer klimaneutralen, nachhaltigen und lebenswerten Region mit einer neuen Identität entwickelt. Entscheidend hierfür ist auch eine bessere Beteiligung der Zivilgesellschaft“, so das abschließende Fazit.

Bilder: Hubert Perschke:7. Entwicklungskonferenz

Datum:
15. Sept. 2025
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